Blogparade - Der Sprache ihren Lauf lassen?

Das Sprachen-lernen-im-Web-Blog hat diese Blogparade ins Leben gerufen, und fordert damit die Teilnehmer auf, die eigenen Gedanken zur Veränderung der Sprache auszudrücken. Als Anregung werden Fragen gestellt, an denen man sich im Artikel orientieren kann. Ich wähle das zweite Angebot, und beschreibe meine Gedanken zum Thema lieber auf andere Weise.

Deutsch

Gibt es DIE deutsche Sprache überhaupt? Ich denke nein. Es gibt lediglich ein paar Rahmenbedingungen und einen allgemeinen Wortschatz. Im Detail unterliegt die Verwendung von Sprache aber verschiedenen Bedingungen. Es kommt immer darauf an, wer in welcher Situation zu wem spricht. Die Eltern sprechen mit ihren Kindern anders, als mit Erwachsenen. In der Kneipe redet man anders als auf der Arbeit. Selbst unter Freunden redet man mit den Einen anders als mit den Anderen. Im Idealfall versucht man eine Ausdrucksweise und Wortwahl zu benutzen, mit der man sich der Zielgruppe am verständlichsten mitteilen kann.

Der Nachrichtensprecher verwendet die Sprache völlig anders, als man es selber im persönlichen Umfeld tut. Auch wenn es um das gleiche Thema geht und gleiche Positionen vertreten werden. Selbst die Nachrichtensprecher der verschiedenen Sender verwenden die Sprache in Wortwahl und Betonung in unterschiedlicher Form. Sie wollen sich unterschiedlich ausdrücken. Sie wollen sich unterscheiden. Da kann man also nicht von einer gemeinsamen Sprache sprechen.

Sprache und Schrabe

Auch die gesprochene Sprache unterscheidet sich von der geschriebenen. Oft werden in einer Unterhaltung Sätze nicht beendet oder sind im Satzbau fern von jeder Grammatik. Beim Sprechen verwenden wir Wörter, die wir so nur selten schreiben. Wer einmal darauf achtet wird feststellen, dass er meistens “Ne”, “Nö”, “Nä” oder sogar nur ein “‘m’m” spricht, obwohl er ”Nein” meint.

Weiter ist es so, dass das gesprochene Wort sich regional in Ausdrucksweise und auch in der Verwendung unterscheidet. Das trifft auch auf Lehnswörter zu. Der Computer ist in Köln eher der Kompjute’, in Sachsen der Gombjudr und Lodda Maddäus spricht wahrscheinlich ganz frrränkisch vom Kompjudä. Nirgendwo in DE ist es aber eine binärarithmetische Rechenmaschine. Wobei selbst dann, bis auf “Rechner”, keines der beteiligten Wörter einen germanischen Sprachstamm hat.

Fremdspracheneinflüsse

Fremdwörter finden immer den Weg in andere Sprachen. Lehnswörter ist der weniger gebrauchte, aber treffendere Begriff. Man leiht sich ein Wort aus einer anderen Sprache, weil es sich zur Verständigung und Bestimmung einer Sache oder eines Sachverhaltes durchgesetzt hat. Das passiert automatisch und ohne konkrete Absicht, ein neues Wort in die Sprache einzubringen. Dabei fällt auf, dass so ein Lehnswort u.U. auch eine andere Bedeutung haben kann, als in der Sprache aus der es entlehnt wird. Ein Handy gibt es im englischen Sprachraum nicht mit der Bedeutung, die es im Deutschen hat. Ein Handy ist im englischen kein Gegenstand, sondern eine Tätigkeit. Payback ist im englischen kein Rabattsystem, sondern es bedeutet “etwas zurückzahlen” oder “etwas heimzahlen”, im Sinne von Rache.

Das deutsche Kartenspiel Skat wird mit dem “französischen Blatt” gespielt. Die Spielansagen nach dem “Reizen” sind dem französichen entnommen. Kontra und Re(tour) entsprechen Gegen(anspruch) und Zurück. Das Spiel mit den 4 höchstwertigen Karten als alleinige Trumpfkarten ist der Grand. Werden die Karten offen gelegt, ist es der Grand Ouvert. Die Trumpfkarten selbst sind nach dem französischen Triomphe benannt. Sie heißen nicht Siegerkarten oder Überlegenheitskarten. Überhaupt heißen sie Karten und nicht Tafeln.

Alles zu seiner Zeit

Jede Zeit bringt auch ihre eigenen Spracheinflüsse und Veränderungen. Heute finden viele englische Begriffe Einzug ins Deutsche. Vor den Weltkriegen waren es mehr französische Begriffe. In Thomas Manns “Die Buddenbrooks” wird gleich zu Anfang deutlich, dass in der Familie neben Deutsch, Französisch eine übliche Sprache war. Es war Ende des 19. und auch noch Anfang des 20. Jahrhunderts tres chique, französisch zu sprechen oder französische Anleihen zu gebrauchen. Ältere Generationen verwenden heute noch immer eher ein “Pardon” um sich zu entschuldigen, wogegen bei jüngeren ein “Sorry” geläufiger ist. Wieder Andere verwenden ein “Ach leck mich doch”, was im weitesten Sinne auch als Entschuldigungsfloskel verstanden werden soll. Und auch heute noch geht man zur Verrichtung der Notdurft aufs Klo(sett) oder auf die Toilette, die im englischen der Restroom ist, also der Ruheraum bzw. der Pausenraum. Na dann, guten Appetit .. oder deutscher .. Mahlzeit.

Sprache wandelt sich in der Geschwindigkeit, in der auch andere Einflüsse auf das Leben zunehmen. In den 1960ern sprach man anders als in den 1980ern und in den 2000ern kam wiederum Neues hinzu und Altes fiel weg. Niemand wusste vor 15 Jahren etwas von einem USB-Stick. Nicht einmal ein Stick war ein verwendeter Begriff im deutschen Sprachraum. Und ein Walking-Stick ist etwas völlig anderes als ein Gehstock.

In der Zeit kann es sogar passieren, das Worte durchgehend benutzt werden, sich ihre Bedeutung aber wandelt oder sich sogar ins Gegenteil umkehrt. Der Dilettant war ursprünglich jemand, der eine Sache aus reinem Eigeninteresse macht. Er betreibt sie als Hobby und nicht zum Broterwerb. Im 18. Jahrhundert dilettierte der Hochadel fröhlich vor sich hin. Ein Dilettant konnte sich den Luxus leisten, sich mit einem Thema zu zu beschäftigen. Er musste davon nicht leben. Heutzutage kann ein Dilettant von seinem Tun nicht leben. Heute ist der Dilettant ein Stümper und Unfähiger. Der Begriff war also vor 200 Jahren positiv besetzt und ist heute ein durch und durch negativer Ausdruck.

Grenzüberschreitend

In Frankreich spricht man natürlich französisch. In Teilen Kanadas auch. Nur unterscheidet sich das französische Französich vom kanadischen in großen Teilen in Schrift und Aussprache. Und spricht der Franzose deutsch, nennt er seine Muttersprache eher wransösisch und nicht französisch. Selbst innerhalb Deutschlands kann es passieren, dass ein Norddeutscher einen Südeutschen oder ein Westdeutscher einen Ostdeutschen (und umgekehrt) kaum versteht, obwohl sich alle bemühen, “hochdeutsch” zu sprechen.

Innerdeutscher Sprachgebrauch

Auch scheinbar deutsche Worte ändern sich mit der Zeit. Früher war es immer das Automobil und der Omnibus. Im geschriebenen Wort ist das auch heute noch manchmal so. Man spricht inzwischen aber in der Regel von Auto und Bus. Im Norden spricht man oft von der Tram, wie im Englischen. Weiter südlich ist es die Bahn oder die Straßenbahn. Die Haltestellenansage in der S-Bahn oder Regionalzügen spricht von Anschlussmöglichkeiten zum Stadtbahnverkehr.

Eigennamen

Barcelona wird von mir mit kölschem Einfluss manchmal als “Bachzelona” gesprochen. Von Freunden wurde ich korrigiert, dass es doch Barcelona heiße und das c wurde dabei betont als Lispellaut, ähnlich dem englischen th gesprochen. Unsinn! Auf Deutsch heißt die Stadt Barcelona und das c wird wie ß oder auch (veraltet) wie z oder ts gesprochen.

Niemand außer den Finnen sagt Köln. In den Niederlanden ist es Keulen, im englischen Cologne und in Sprachen mit starken lateinischen Wurzeln ist es seit 2000 Jahren Colonia. Liverpool heißt aber nirgendwo Leberloch und Manchester nicht Mannbruster. München ist im italienischen Monaco. Ob und wie solche Eigennamen übersetzt werden, ist also eine zufällige Sache. Sie begründet sich nicht auf irgendeiner Logik. Selbst im Deutschen ändern sich solche Eigennamen. Noch bis 1950 hieß die Stadt München-Gladbach, M. Gladbach oder München Gladbach (ohne Bindestrich). Heute heißt es Mönchengladbach .. und hat einen wirklich schrecklichen Fußballverein.

Fazit

Sprache ist einer stetigen Änderung unterworfen, die kaum bis gar nicht steuerbar ist. Die Einflüsse sind mannigfaltig. Würde man versuchen, Sprache in ein enges Kleid aus dogmatischen Regeln zu pressen, müsste man diese Regeln auch einer Logik unterwerfen, die zu schaffen einfach unmöglich ist. Genauso ändert Sprache sich ohne feste Regeln. So wie man das Fortbestehen eines Istzustandes bei Sprache nicht festlegen kann, kann man auch ihren Wandel nicht regulieren. Wer weiß, vielleicht haben wir in 50 Jahren arabische Lehnswörter im Deutschem .. so wie im Thilo seinem Buch angedroht wird.

Vivat, crescat, floreat! (Latein für Angeber)

(ix)

Autor: Ixiter

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About Ixiter

Ixiter ist Quelltextschreiber, Pixelsortierer, Lieferantenbetreuer und Aufstrichberater. Wenn ihm das alles nicht reicht, schreibt er hier über nichts geringeres, als den Sinn und Unsinn der Existenz. Und wenn ihm die Argumente ausgehen, kommt er mit triftigen Gründen. Immer.

5 thoughts on “Blogparade - Der Sprache ihren Lauf lassen?

  1. Hallo Peter!
    Vielen Dank für deine Teilnahme an meiner Blogparade! Und danke für diesen sehr ausführlichen Beitrag. Hat wirklich Spass gemacht zu lesen (Spass mit ss, da ich ja Schweizer bin, hehe).
    Insgesamt kann ich dir nur zustimmen. Ich bin auch der Meinung dass man die Sprache nicht leiten kann, da helfen auch keine Gesetze. Für die einen mag das nicht so schön sein aber so ist es eben ;-) Für die anderen macht dies die Sprache gerade so interessant…
    Auf deinen und die Texte der anderen Teilnehmer gehe ich am Ende der Blogparade noch mal ein.
    Liebe Grüsse
    Daniel Schenker

  2. @Dani Schenker: Gern geschehen. Und Danke für dein Lob.
    Die Blogparade fand ich eine gute Idee. Das Thema taucht ja immer wieder auf und so hatte ich eine gute Gelegenheit meine Gedanken dazu mal loszuwerden. Davon abgesehen fand ich dein Blog auch sehr gut. Super Idee und das ohne ein “Diese Seite ist ein Angebot der Sprachschule XYZ”, sondern aus reiner Eigeninitiative. Sehr gut!
    “Spass” ist völlig OK. Unser Ex-Bundesschröder spricht das ja sogar so. Und der kommt immerhin aus Hannover. :D
    Die Schweizer sind auch witzig. Ich war mal in einem Hotel/Gasthof in Bern. Da gabs das Poststübli und das Frühstückstübli (o.ä.) aber dann auch die Schützenstube. :D

  3. Ja aus den Nachrichten hört man das Thema ja oft aus Frankreich. Wo man besonders darauf achtet, dass es für jedes Englische Wort auch ja eines auf Französisch gibt.
    Kürzlich habe ich dann irgendwo noch einen Artikel zum Thema gelesen. Da ging es um die Situation im Libanon wo die Jungen offenbar nur noch Englisch und Französisch sprechen, während die eigene arabische Sprache komplett auf der Strecke bleibt.

    Danke für die Komplimente zu meinem Blog. Das mit dem… oder besser ohne “ein Angebot von…” ist mir noch gar nicht aufgefallen. Das könnte ich doch irgendwie in der Seite Unterbringen :) Ein Angebot von MIR :) oder so…

  4. Ach ja, die Franzosen. Die versuchen es mit aller Gewalt .. und sind sogar recht erfolgreich damit. Ob es Sinn macht, ist weiterhin fraglich. Das hat ja auch immer was isolierendes.

  5. Pingback: Blogparade zu Ende: Der Sprache ihren Lauf lassen? | Sprachen lernen im Internet

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