Komische Zahlen - Die Post will für ePost Anmeldungen Kölner Schulen mit Computern ausstatten

Heute flog ein Werbeflyer in meinen Briefkasten, der mich mal wieder zum Nachrechnen brachte. Die Deutsche Post wirbt darin für ihren ePostbrief und verspricht pro 100 Registrierungen zur ePost je einen Computer an Kölner Schulen zu spenden.
Klingt erstmal super, relativiert sich bei näherer Betrachtung aber schnell. Es gibt einfach nicht genug Kölner, damit sich das m.E. für die Schulen nennenswert bemerkbar macht.

Babies brauchen keinen ePostbrief

Wenn sich nur jeder zehnte Kölner registriert, sind das gleich 1.000 neue Computer für unsere Schulen!

Gut, stimmt, einfache Rechnung. Guckt man sich das mal genauer an, ist diese Rechnung zu einfach. Es geht schon damit los, dass bei “jeder zehnte Kölner” alle drin sind. Auch Säuglinge, Kinder, alte Menschen und jede Menge anderer Leute, die mit ePost so viel anfangen können, wie ein Fisch mit einem Fahrrad. Es ist IMHO also völlig illusorisch, dass nach der Rechnung 1.000 Computer zusammen kommen. Milchmädchen lässt grüßen.

Demnächst Staus und Warteschlangen bei der Post?

Ein weiteres Problem bei der Beispielrechnung auf dem Flyer, ist die notwendige Zeit zur Abwicklung in den Poststellen. Es gibt genau 100 Postfilialen und Post-Verkaufspunkte in Köln. Im Durchschnitt müsste jede Poststelle demnach 1.000 so genannte POSTIDENT Verfahren abwickeln. Dazu hat jede Poststelle ab heute 26 Tage Zeit, da die Aktion bis zum 30.06.20911 gehen soll. Pro Tag werden so im Schnitt 40 Abwicklungen pro Poststelle und Tag nötig sein. Die meisten Leute die sich registrieren und dann zur Post müssen, werden vermutlich berufstätig sein und deshalb erst nach Feierabend zur Post gehen können. Bei einer geschätzten durchschnittlichen Abwicklungszeit von ca. 5 Minuten, weil es in den meisten Fällen zu einem kurzen Gespräch und Fragen kommen wird, werden also pro Tag 200 Minuten bzw. 3 Stunden und 20 Minuten Arbeitszeit in jeder Poststelle benötigt. Da müssten sich ja im Juni in den Abendstunden große Schlangen vor allen Poststellen bilden, bei dem Andrang.

Wenn überhaupt, dann können Haushalte damit was anfangen

Es ist, denke ich, aber nicht so, dass Bürger sich registrieren, sondern eher Haushalte. Haushalte gibt es 537.000 in Köln, davon sind mehr als die Hälfte Single-Haushalte, also ohne Kinder. Mit Kindern gibt es 98.000 Haushalte. Um die angepeilte Anzahl von 1.000 Computern zu erreichen, müssten sich also mehr Haushalte registrieren, als es Haushalte mit Kindern (die unmittelbare Zielgruppe) gibt.

Fördervereine aufgepasst und rechnet nochmal mit

“Schulen und Fördervereine aufgepasst” heißt es weiter auf dem Flyer. Die sollen sich nämlich bewerben und damit ihre Chance auf bis zu 5 neue Computer für ihre Schule sichern. Es gibt also nach der Rechnung auf dem Flyer 1.000 Computer und eine Schule kann sich bis zu 5 davon sichern. Man muss bedenken, dass es in Köln 275 Schulen gibt. 1.000 Computer auf 275 Schulen verteilt, ergibt aber nur 3,63 Computer pro Schule. OK, es heißt ja auch “bis zu”. Da bleibt also für manche Schule nur 1 oder 2 Computer, damit andere die versprochenen 5 bekommen können.

Die richtigere Rechnung

Um die Idealrechnug des Flyers (jeder 10. Kölner) zu erfüllen, muss der Flyer in alle Haushalte gebracht werden um alle Kölner zu erreichen. Der Flyer braucht also eine Auflage von ca. 540.000 Stück, DIN A4, hochglanz, mehrfarbig, beidseitig bedruckt. Es wurden allerdings gleich 2 verschiedene Flyer in meinen Briefkasten geworfen - ein Faltbaltt und ein “normaler” Flyer. Also braucht es mehr als 1 Mio Flyer in der genannten Qualität. Wurden überhaupt so viele Flyer verteilt? Was sowas wohl kostet?

Ich vermute, dass die Konversationsrate bei solchen Flyern bei unter 1% liegt. Bei dieser Werbeaktion muss man auch noch drei mal das Medium wechseln. Zuerst den Flyer lesen, dann ins Internet um sich zu registrieren und dann auch nochmal zur Post um seine Registrierung zu verifizieren. Abschließend bekommt man noch eine SMS und kann sich erst dann im Portal anmelden. Bei so einem aufwändigen Verfahren sinkt die Konversationsrate noch einmal erheblich ab. OK, nehmen wir trotzdem mal 1% an. Da kommen wir bei den genannten 537.000 Haushalten auf ca. 5.500 Registrierungen. So werden aus den angerechneten 1.000 Computern plötzlich nur noch 50. Und auch die sollen dann auf die 275 Schulen verteilt werden .. bis zu 5 Stück pro Schule. Da muss dann aber schon heftig gestückelt werden. Wer kriegt die Festplatte, wer das Motherboard, wer die Tastatur und wer das Gehäuse? :D

Das alles für eine bessere Ausbildung?

Gut ausgebildete Kinder sind die Zukunft unserer Stadt und des ganzen Landes. Helfen Sie mit und sorgen Sie dafür, dass unsere Kinder den sichern und souveränen Umgang mit der digitalen Welt besser und schneller lernen.

Ob die Aktion wirklich so hilfreich ist wie es blumig auf dem Flyer beschrieben wird, kann man natürlich auch nachrechnen. Es gibt in Köln 100.000 Schüler und die bekommen 50 neue Computer. Demnach müssen sich 2.000 Schüler einen Computer teilen. So ein Schüler ist ca. 30 Stunden pro Woche in der Schule. Selbst wenn der Schüler dann jederzeit an den neuen Computer könnte, sich den aber mit 2000 anderen Teilen muss, hat er also die sagenhafte Zeit von 30h / 2000 = 0,015 Stunden bzw. 0,9 Minuten bzw. 54 Sekunden pro Woche zur Verfügung, um “den sicheren und souveränen Umgang mit der digitalen Welt besser und schneller zu lernen”. Je nach Betriebssystem wird er nicht einmal den Startvorgang des Computers bis zum Ende verfolgen können.

Vielleicht irre ich mich aber auch, und der ePostbrief ist so ein Renner, so eine tolle, beliebte und gefragte Sache, das ultimative Must-Have für jedermann, und es registrieren sich tatsächlich 100.000 Kölner durch diese Werbeaktion. Dann wird es natürlich die unglaubliche Menge von 1.000 Computern und jeder Schüler wird satte 18 Minuten pro Woche, 52 Wochen im Jahr, abzüglich der Ferien von 13 Wochen = 39 Wochen, also 702 Minuten bzw. 11 Stunden und 42 Minuten im Jahr Zeit zur Verfügung haben um all das zu lernen, was man für die digitale Zukunft braucht.

Fazit

Ich bin durchaus für ein Sponsoring der Schulen. Wir haben in Köln eine Menge Unternehmen aus der IT und Computerbranche. Angefangen bei Saturn und Mediamarkt über Netcologne bis hin zu Microsoft. Daneben auch noch viele kleinere Firmen. Würden die sich mal in einem Netzwerk zusammentun und sich mit ehrlichem Interesse für besser Bedingungen in Sachen Computerbildung in Kölner Schulen engagieren, wäre das 1. eine wirklich nachhaltige Werbeaktion und 2. könnten dann auch tatsächlich realistische Bedingungen geschaffen werden. Nach meiner Vorstellung sollten sich höchstens 25 Schüler einen Rechner teilen, im Ideal wären es 10, um eine vernünftige Ausbildung gewährleisten zu können. Hinzu kommen HiSpeed DSL Leitungen für jeden Klassenraum und gesicherte WLANs in den Schulen, in die sich die Schüler mit persönlichen Zugangsdaten einloggen können. Dann wären wir auf einem Standard, wie er z.B. in Finnland Gang und Gäbe ist. Natürlich bräuchte es dann auch in jeder Schule mindestens einen Operator/Lehrer der sich mit der Materie auskennt. Die technische Betreuung der Anlagen könnte über einen kompetenten Dienstleister bereitgestellt werden, der das auch als Sponsoring anbieten würde.

Ich denke die Schüler wären begeistert, wenn sie die Schule als Internetcafe nutzen könnten. Sie würden sich in einem geschützten Bereich aufhalten, das Surfen wäre mehr ein gemeinsames Erlebnis. Unterricht, Hausaufgaben und Freizeitgestaltung würden fließend ineinander übergehen, ja sogar parallel passieren. Insgesamt sehe ich nur Vorteile wenn es heißt “Schulen ans Netz”. Dann aber auch richtig!

(ix)

Ixiter ist Quelltextschreiber, Pixelsortierer, Lieferantenbetreuer und Aufstrichberater. Wenn ihm das alles nicht reicht, schreibt er hier über nichts geringeres, als den Sinn und Unsinn der Existenz. Und wenn ihm die Argumente ausgehen, kommt er mit triftigen Gründen. Immer.

Kurzlink: http://goo.gl/gjy9M

3 Gedanken zu “Komische Zahlen - Die Post will für ePost Anmeldungen Kölner Schulen mit Computern ausstatten

  1. Hallo Herr Liebetrau,
    mit Begeisterung haben wir festgestellt, dass Sie sich sehr intensiv mit unserer Aktion beschäftigt haben! :-)
    Wir möchten gerne ein paar Punkte zu Ihrem Blogartikel anmerken:
    Die Aussage „Wenn sich nur jeder zehnte Kölner registriert, sind das gleich 1.000 neue Computer für unsere Schulen!“ ist natürlich ein wenig hoch gegriffen. Zu unserer „Verteidigung“ möchten wir jedoch darauf hinweisen, dass es sich dabei um eine Werbeaussage handelt, die die Kölner dazu motivieren soll, mitzumachen und etwas Gutes für die Schulen zu tun. ;-)
    Aktuell nehmen 13 Schulen an der Aktion teil und wir haben bislang 26 Computer zur Verfügung gestellt - wir finden, dass das gar nicht mal so schlecht ist, oder? Uns ist durchaus bewusst, das wir mit dieser Aktion nicht die komplette IT-Infrastruktur jeder Kölner Schule erneuern, aber immerhin leisten wir damit einen Beitrag zur Verbesserung der Schulbildung.
    Übrigens unterstützen wir Schulen auch durch andere Projekte. Zum Beispiel haben wir in Zusammenarbeit mit der Stiftung Lesen die Plattform clixmix.de aufgebaut. Dabei handelt es sich um ein kostenfreies Lernportal, in dem Kinder im Grundschulalter erste Erfahrungen im Umgang mit Medien sammeln können.
    Wir hoffen, dass wir Sie durch unsere Antwort dazu bewegen können, an unserer Aktion teilzunehmen - sofern Sie es nicht schon getan haben! ;-)

    Viele Grüße
    Thomas Mißlbeck vom Serviceteam E-POSTBRIEF

  2. Hallo Herr Mißlbeck,

    danke für Ihren Kommentar. Es freut mich zu sehen, dass sie die modernen Medien nutzen und die Kommunikation suchen. Klingt wie eine Phrase, meine ich aber durchaus ehrlich.

    26 Rechner für 13 Schulen ist nicht so schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Für mich ist das mehr eine Geste als eine wirksame Hilfe.

    Werden Sie eigentlich auch prüfen ob diese Rechner tatsächlich den Schülern zugänglich gemacht werden oder doch in Sekreteriaten der Schulen, in der Verwaltung der Fördervereine oder sogar in privaten Händen landen?

    Sicher kann nicht ein Unternehmen die ganze Arbeit stemmen und die IT-Infrastruktur der Schulen modernisieren. Deshalb ja meine Idee eines Netzwerkes. Eine Einzelaktion wie die Ihre ist immer nur ein Tropfen auf den heißen Stein und hat eben viel mehr den Charakter einer reinen Werbeaktion als den von echtem sozialen Engagement.

    Ich werde mich nicht für den ePostbrief registrieren, weil ich den nicht brauche.
    Ihre Aktion möchte ich nicht unterstützen, weil ich sie nicht für nachhaltig und authentisch erachte. Es ist eine reine Werbeaktion und den sozialen Aspekt darin sehe ich nur als Mittel zum Zweck. Es wird durch diese Einzelaktion nicht wirklich etwas erreicht für die Schüler.

    Trotzdem wünsche ich ihnen viel Erfolg mit ihrer Werbeaktion. Schließlich gönne ich Ihnen ja den Erfolg ihres Geschäfts. Ein Erfolg für die Schüler und Schulen wird es leider nicht werden. Das kann nur eine wesentlich größeren gemeinsamen Aktion im Zusammenschluss mit anderen Marktführern und kleinen wie großen Mittelständlern erreicht werden. Die wirtschaftlichen Mittel sind vorhanden. Gehen Sie es an und packen Sie mit ihrer Wirtschaftskraft und Einflussnahme zu. Sie werden von mir jede Unterstützung erhalten.

  3. Hallo Herr Liebetrau,

    vielen Dank für Ihre Offenheit – schön zu hören, dass unser Social Media Service angenommen wird. :-)

    Kurz zu Ihrer Frage: Wir überprüfen nicht, wie die Computer in den Schulen eingesetzt werden – das liegt in der Verantwortung der Schulen selbst. Wir würden uns natürlich freuen, Sie als E-POSTBRIEF-Kunden begrüßen zu dürfen – vielleicht können wir Sie in der Zukunft besser überzeugen. :-) Bis dahin stehen wir Ihnen für eventuelle Fragen gerne zur Verfügung.

    Wir wünschen Ihnen noch einen guten Start in die Woche!

    Thomas Mißlbeck vom Serviceteam E-POSTBRIEF

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